Hamburg und die Weiße Rose - Veranstaltungsreihe 2011

 

Donnerstag, 3. Februar 2011, 20.00 Uhr

Strategien und Formen des Erinnerns-

Modelle des Widerstandes in der Kunst   G. St.


Die Weiße Rose und der literarische Garten

Geschwister Scholl-Straße in Hamburg - Eppendorf

 

Veranstalter :Kulturpunkt im Zentrum Barmbek`* Basch  und die Bücherhalle Dehnhaide

Ort: Kulturpunkt im Zentrum Barmbek

Wohldorferstraße 30  22081 Hamburg Tel.: 040/2995010

Initiatoren:

Körber - Stiftung und die Weiße Rose Stiftung e.V

http://www.kulturhaus-barmbek.de/gedenken.htm

http://www.hamburg.de/geheimtipps/7858/verhoerzelle-hamburg.html

Christiane Benzenberg: 'Denkmäler für die Widerstandsgruppe 'Weiße Rose' in München und Hamburg':

http://www.weisse-rose-stiftung.de/fkt_downloads.php?aktion=cs&ma=cs&c_id=mamura&topic=024&mod=3&page=1&lang=de&PHPSESSID=dv9bcf0rti5tp6njgq0lgo0q43



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Erläuterungstafel  Nähe Verhörzelle Fotografie: Emma/Stern


Foto:Gerd Stange

Abb:: Aus dem Buch "Verhörzelle"-. Foto: Bruder  Jörg Stange

 

"Nichts ist unsichtbarer als ein Denkmal" (Robert Musil)

Im Herbst 1988 entdeckte Gerd Stange bei einem Elbspaziergang am Strand von Övelgönne im Sand ein Stück Blech, das sich beim Graben als Wehrmachtshelm entpuppte. Ganz in der Nähe ragte ein Stück Treibholz heraus. Die beiden Fundstücke waren Auslöser einer Idee, an deren Verwirklichung
der Künstler ein Jahr lang besessen und gegen immer neue Widerstände arbeitete.
Das Sammeln war für Stange bis dahin, was die Fingerübungen für den Pianisten sind. Wohin immer sein Blick wanderte, suchte er, ordnete zu oder trennte, was nicht zueinander gehörte. So bewirkte am Övelgönner Strand, wo Wellenschlag und Gezeiten Ihre Spuren hinterlassen und der Blechhelm in der Nähe eines Bunkers bei Stange so etwas wie eine Bildstörung. Während Helm und Treibholz in seinem Atelierraum zu immer neuen Kombinationen auf einem Sockel arrangiert wurden und der Künstler auf einem Stuhl davor sitzend die Möglichkeiten prüfte, gewann für ihn der Helm Lebendig-
keit, wurde zum Ankläger oder Folterknecht, während er selbst die Rolle des Opfers übernahm.
Die Suche in der Vergangenheit führte Gerd Stange in das Oberlandesgericht, wo er mit Hilfe des Pförtners den ältesten Stuhl des Hauses fand. Man war bereit -im Tausch gegen ein Foto der Installation "Die Arche Noah mit zwei Schafen" von Gerd Stange -den Stuhl herauszugeben. In den folgen den Sitzungen im Atelier verschwand der Helm vom Sockel, rückte dem Künstler in der Opferrolle immer näher, bis er unter dem Stuhl lag. Die fiktive Geschichte gewann erschreckende Realität. Und für Gerd Stange stand die Gestaltung seiner Installation fest. Zunächst dachte er an einen Ort im Oberlandesgericht, aber der Plan scheiterte am Widerstand der Justizbehörde. So kam Stange auf das für ihn Naheliegende: dieGeschwister-Scholl-Straße. Im zähen Ringen konnte er die Kulturbehörde Hamburg zur Unterstützung des Projektes gewinnen, dazu noch die Weiße Rose Stiftung, die SPD und die Gal, Mittel wurden zur Verfügung gestellt, um das Material zu kaufen. Alles andere - hunderte von Stunden, um das Erdreich auszuschachten, eine Stromleitung zu verlegen, ein Gitterrost und eine Stahlkammer zu verschweißen (nach den Körpermaßen des Künstlers: Augenhöhe 180 cm, Mundhöhe 170 cm, Stuhlbreite 54 cm), eine Panzerglasplatte zu bearbeiten und so weiter -waren das unbezahlte Werk von Gerd Stange, seinen Freunden und hilfsbereiten Handwerkern.
Am 1. Oktober 1990, zwei Tage nach der Vereinigung der alten und neuen Bundesländer, war die Verhörzelle in den Gehweg eingegraben, hinter einer Parkbank zwischen Sträuchern. Für manche ein Ärgernis und Anlass zu rechtsradikalen Äußerungen, für viele Anwohner jedoch eine neue und ein-
drucksvolle Art ein Denkmal für die Opfer des Faschismus zu gestalten: statt einer heroischen Sockelskulptur, etwas, wonach man sich bücken muss. Was sich den Blick nicht aufdrängt, sondern wonach man sucht oder worauf man zufaellig stoeßt. Und das auf diese stille Weise Eindruck hinterlaesst, besonders, wenn es nachts im stillen Schein der Gluehlampe auftaucht.

Thomas Sello (Leiter des museumspaedagogischen Dienstes an der
Hamburger Kunsthalle)

Beitrag aus:
Gerd Stange-Verhörzelle und andere antifaschistische Mahnmale in
Hamburg, von Gunnar F. Gerlach und Thomas Sello, Dölling u. Galitz Verlag.

 

Erinnerung als Rohstoff für Kunst: Von der "Verhörzelle" zum "Literarischen Garten"
Ursula Herrndorf

Standpunkte: Wie der Künstler Gerd Stange seine Projekte entwickelt
Hamburger Abendblatt

Hamburg. "Ist sie nicht schön, hm?" Gerd Stange legt genußvoll einen langen Arm auf die Lehne einer Parkbank, schlägt ebenso lange Beine übereinander und lächelt spitzbübisch. Denn es ist keine gewöhnliche Parkbank, die der Hamburger Künstler hier auf eine kleine Grünfläche an der Geschwister-Scholl-Straße gestellt hat. Es ist eine großzügige, in schönem Schwung geformte Bank, wie man sie eher in Pariser Parks vermutet. "Wo Clochards drauf schlafen können", sagt der 51jährige. "Auf diesen Hamburger Behörden-Bänken drehen sie sich einmal um und rutschen hinten durch." Doch den subversiven Aspekt dieses angenehmen Ruheplatzes sieht der Mann in Nadelstreifenanzug eher als Nebeneffekt. Denn die Bank ist Bestandteil eines "Literarischen Gartens", den Gerd Stange hier in Eppendorf vis à vis von seiner 1990 geschaffenen "Verhörzelle" eingerichtet hat. Beides in Gedenken an die Geschwister Scholl. Während die in die Erde versenkte "Verhörzelle" Klaustrophobie auslösen kann und an das kaum ausgesprochene und schon vollstreckte Todesurteil erinnert, steht der "Literarische Garten" für Bildung und Humanismus der Geschwister Scholl. "Die Bank ist das Gegenstück zur Zelle", erklärt der Künstler, der seine Aufgabe darin sieht, Gewalt "in ein menschliches Prinzip umzuwandeln". Etwa viermal pro Jahr sollen an diesem Ort künftig Lesungen stattfinden.

Am 1. September eröffnet Gerd Stange den "Literarischen Garten" mit seinen rund 80, vom Künstler gepflanzten Rosenstöcken. Weiße Rosen sind das, in Anlehnung an den Namen der Widerstandsgruppe. Auf der anderen Seite hat er die behördlichen Parkbänke so gestellt, daß man sich gegenüber sitzt, Und ein Schachspiel hat er in den Boden eingelassen. "Es geht mir um Integration und Kommunikation." Das funktioniert erstaunlich gut. "Fast alle hier in der Gegend haben sich an dem Projekt beteiligt", freut er sich. "Die Erika-Apotheke hat die Parkbank gesponsert, andere Geschäfte haben Geld gespendet, die Anwohner haben Patenschaften für die Rosen übernommen. Denn der Garten muß ja gepflegt werden.
Seit 20 Jahren wohnt der alleinerziehende Vater eines elfjährigen Sohnes im Stadtteil. Er kennt die meisten hier, grüßt und winkt während des Gesprächs im Freien. Arroganz kann man ihm wirklich nicht vorwerfen. Und auch wenn Gerd Stange gern provokativ auftritt ("ohne Provokation hat man ja kaum noch was zu lachen") ist ihm "Spaß und Lust, die Freude am Leben" doch besonders wichtig. Dafür spricht auch ein Projekt, das er "Erinnerungsfußball" nannte. Auf dem Bolzplatz Schmuckstraße veranstaltete er gemeinsam mit dem Lichtkünstler Michael Batz ein Fußballspiel, das an die einst dort lebenden und von den Nazis deportierten Chinesen erinnerte. Projektionen historischer Fotos illuminierten die Spieler. Viele solcher Aktionen, für die Gerd Stange meist monatelang recherchierte, hat er veranstaltet. Einen Teil davon dokumentiert derzeit die Ausstellung "Erinnerungsfußball und Gartenstücke" in der Galerie Carolyn Heinz. Ein Video der Aktion, sowie Fotografien und Dokumente holen "Klein China-Town" ins Gedächtnis. Ein Raum ist Rosa Luxemburg (1871 -1919) mit Installationen, Entwürfen für Briefmarken und Fotografien gewidmet. Gerd Stange schätzt die Revolutionärin wegen ihrer Geradlinigkeit und Sensibiltät. "Eigentlich war sie eine Künstlerin", sagt er. "Ich möchte, daß der ganze Mensch gewürdigt wird." Der vordere Raum der Galerie zeigt Malerei. Und damit eher die private Seite, dieses ansonsten politisch interessierten Künstlers.
Den Impuls, sich gestalterisch zu betätigen, gab dem als Einzelhandelskaufmann ausgebildeten Gerd Stange jedoch die Photographie . Schnell wurden daraus Inszenierungen, schließlich Installationen. Der Fund eines Stahlhelms schließlich führte ihn zur politischen Stellungnahme. "Soll ich den jetzt wegwerfen, oder soll ich mich der Geschichte stellen", hat er sich damals gefragt. Ein bißchen mulmig war dem sonst eher selbstbewußt-lauten Mann schon. "Weil ich den Krieg ja nicht miterlebt habe." Literatur half. Aus dem Fund entwickelte sich die "Verhörzelle". Und als Franz Joseph Müller, Vorsitzender der Weiße-Rose-Stiftung, das Werk betrachtete, fühlte sich der alte Mann an seine
Inhaftierung durch die Nazis erinnert. Für Stange war das die Bestätigung, es richtig gemacht zu haben. Und weiter gegen das Zuschütten von Erinnerung anzuarbeiten.
*
"Literarischer Garten", Geschwister-Scholl-Straße, Ecke Erikastraße, Einweihung 1.9., 19 Uhr, Galerie Carolyn Heinz, Eppendorfer Landstraße 10, bis 9.9., di-fr 12-19, sbd 11-16 Uhr.

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Gartenteam" Literarischer Garten"  ergänzend zur "Verhörzelle"- Mahnmal für die Geschwister Scholl und andere opfer des Naziregimes 2005

Die dialogische Ausrichtung der "alten Gartenbänke Bänke" und ein installiertes Schachbrettmuster aus Stein sind Bestandteil des "Literarischen Gartens". Auf der gegenüberliegenden Seite der Anlage befindet sich die "Besinnungsbank"-, ausgerichtet zur Verhörzelle. Der literarische Garten wurde durch Spenden finanziert. Die Lesungen wurden im "Blauen Salon" im Café Borchers gegenüberliegend durchgeführt , so wie zahlreiche Aktionen vor der "Verhörzelle". Der "Literarische Garten" steht für Bildung und Humanismus der Weißen Rose.

 


l. Hakim RaffatI  II.v. l. Narayan Desay mit Tochter zu Besuch in Hamburg, rechts Ur-Sula  Hagedorn 2008  Foto:Gerd Stange

Eppendorfer Wochenblatt:

II. v. l. Narayan Desay mit Tochter zu Besuch in Hamburg

Narayan Desai, Sohn vom persönlichen Sekretär Mahadev Desai, von Gandhi

Literarischer Garten- Weiße Rose in Hamburg-Eppendorf in Anlehnung der "Verhörzelle"- Mahnmal für die Geschwister Scholl  Foto/Artikel: Wochenblatt 2008

 

Tamm Tamm

http://www.art-magazin.de/szene/8330.html

Brief an die damalige Kultursenatorin Frau Welk:

Der Zweifel-Zwerg ist heute aus dem Schneewittchen-Kreis Deutscher Sammler entflohen,
um über die Gartenzäune zu schauen, um Erfahrungen zu machen, was seine treuen Sammler und Raumgestalter so alles in der Realität anstellen.

Die Botschaft soll der Zweifel sein und ich bin der Zwerg, der diese Zweifel säen soll.
Entstanden bin ich im Kreise des literarischen Gartens, Gerd Stange und seine Freunde sind meine Gestalter. Man nennt mich Zweifel-Zwerg. Die anderen Zwerge, die von Schneewittchen, sind eingeschlafen umringt vom deutschen Walde.

Ich kann es nicht verstehen, dass man in solch bewegten Zeiten, ruhig schlafen kann. Deshalb mache ich mich heute zum ersten Mal auf meinen Zweifel-Weg.

Unsere politischen Raumgestalter trotzten dem „bequemen Behaviorismus“ nicht. 121 Politiker gaben ihre Unterschriften für die Erstellung eines Internationalen Schifffahrtsmuseums in der Hafen City, dessen Gestalter der Privatier Peter Tamm, ehem. Axel Springer Vorstand, Sammler von Waffen, Hakenkreuzen und Gegenständen der Kriegsmarine werden soll. Ein bisschen überfällt mich der Zweifel, ob da nicht eine doch ziemlich militaristische Ausstellung entstehen wird, weil Herrn Tamm doch dieser Teil seiner Sammlung so sehr am Herzen liegt. Der Zweifel kriecht in mir hoch, dass der Gegenbezug, nämlich die Verbrechen des Krieges, dabei zu kurz kommen könnte.
Das Schifffahrtsmuseum soll voraussichtlich bis 2007 in der Hafen City entstehen.
30.000.000 € von unseren Steuerzahlern sind bereits an den Privatier Tamm geflossen. Ein Herr Friedrich Möwe (GN Verlag) machte sich an die Recherche und hat auch so manche Gründe gefunden, sich mit einer Broschüre „Tamm-Tamm“ gegen die Erstellung des „Tamm“-Museums zu wenden.

Jetzt muss ich mich kümmern mit einen Brief voll Zweifelsfragen, mache mich auf den Weg per Kurier zum Rathaus und zur Kultursenatorin. Zweifel ist die Voraussetzung allen Erkenntnisfortschritts, das ist doch ein Ergebnis der Aufklärung. Gibt es nur eine Wahrheit? Ich zweifele, damit man sie mir erklärt, die praktizierte Wirklichkeit. Und vielleicht stoßen wir ja auf andere Wahrheiten und können gemeinsam die Wirklichkeit verändern!

Ich hoffe, ich kann bald zurück in meinen Weiße Rose Garten und mich ein bisschen ausruhen von Zweifels-Wegen.

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Nachdenkmal "Schützengraben-Soldatengrab"/ Kriegerdenkmal Richard Kuoehl Groß Borstel

Geleit von Jörgen Bracker ehemals Leiter des Museum für Hamburgische Geschichte ( aus der Broschüre weitergraben... )

Dölling und Galitz Verlag ISBN 3-930802-55-4

Wenn man nach dem überzeugenden Denkmal für die Toten des ersten Weltkrieges fragt, wird man zweifellos an das in Güstrow denken. Ernst Barlach hat es geschaffen und in ihm als lebensspendende und lebensschützende Mutter Käthe Kollwitz porträtiert. Als Sohn Peter 1914 in den Krieg gezogen war, hatte sie die Heroisierung des sogenannten Opferganges begeistert akzeptiert. " So sind sie nun auch wirklich eingesegnet zu ihrem Opfer", hatte sie ihrem Tagebuch anvertraut. Erst als ihr das Kind genommen war, erfaßte sie ganz die totale Unsinnigkeit und Hohlheit des Trostes für den nicht wiedergutzumachenden und durch das sogenannte Opfer nicht gerechtfertigten Massentod der Jungen. Wie Blasphemie mutete dagegen  die beinahe in jedem Dorf befolgte kaiserliche Staatspropaganda  " Schafft Helden Haine!"an. Durch Denkmäler dieser Art sollte der antike Mythos von der Süße und Lieblichkeit des Sterbens für das Vaterland sogleich die nächste Generation für den Opfertod im Krieg bereitmachen.

Gerd Stange versteht die Geschichtlichkeit bestehender Denkmäler und greift sie nicht an. Er empfindet aber die Notwendigkeit eines Kommentars in unmittelbarer Nachbarschaft, indem er versucht, die schreckliche Wirklichkeit des Todes im Schützengraben der pathetischen Heroisierung gegenüberzustellen. Er plädiert im sinne der Toten, die ja in Wahrheit durch Vorgaukelung eines süßen Opfertodes um ihr Leben betrogen wurden. In seinem Kunstwerken wird Gerd Stange zum Anwalt der durch staatliche Opppression  ihres Lebens, ihrer Freiheit, ihrer geistigen und körperlichen Unversehrtheit beraubten  Menschen. Angesichts der unsinnigsten und grausigsten Kriege, der Verführung junger Menschen zu unmenschlichen Taten durch vorgeblich religöse und andere Ideale, erkennt Stange einen Auftrag für sich, gegen Vorurteile und bequemen Behaviorismus anzukämpfen und das Vergangenheitsverständnis durch Einsichten in die Wirklichkeit zu vertreiben.

Siehe Rubrik Projekte


1999 - 2007 "Ein Nachdenkmal gegen Heldenverehrung, aus der Sicht der Opferperspektive- zum Kriegerdenkmal/ Adlerkubus von Richard Kuöhl 1922 - 2007

Film: NDR Nachdenkmal

http://www.youtube.com/watch?v=GBU4KY9DktQ&feature=related

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